Originallink
Mittelaltermarkt:
Zweitägiges Spektakel auf dem Sportplatz bietet Genuss für alle Sinne
Eine richtig heiße Show
Von unserer Mitarbeiterin Sabine Zeuner
Oftersheim.
Dudelsackmusik erklingt, Feuerzungen lecken an fetten Fleischspießen.
Würziger Duft dringt aus der Bäckerei, raue Gesellen prosten sich herb
zu, dass die tönernen Krüge zu zerschellen drohen. Mit beschwörender
Stimme erklärt eine mystische Frauengestalt aus den Handlinien die
Zukunft. Mittendrin im Mittelaltermarkt des Vereins "Signum libere
Suezzingen" sind alle Sinne gefordert, sucht das Auge einen Ort zum
Verweilen.
Kinder springen durch die kühlende Wasserwand bei der Feldbäckerei, in
der Nähe webt Ines Rosenthal eine zweifarbige Borte, deren Fäden an
Karten fixiert sind - hier ist die Zeit vor rund 1500 Jahren
stehengeblieben - nicht nur rein optisch. Das grobe Leinenhemd bewegt
sich locker um den drahtigen Körper von Thomas Plum, der derwischartig
um einen Musikus herumhüpft. Spielmann Svend von den Goselagerern soll
hellsichtig gemacht werden.
Klar schafft Thomas das, ist er doch Met-Tavernen-Wirt und Gaukler aus
Passion. "Trinkt aus mein Freund", dann schließt der tapfere Recke Svend
die Augen. Ein Trichter aus Metall wird ihm übergestülpt, durch dessen
Bodenloch sollen Weisheit und Wahrsagekraft fließen. Wie Rumpelstilzchen
ums Feuer umtänzelt ihn Thomas, laut ruft er: "Was hamma denn da in der
Hand", fordert unterm Gelächter der Umstehenden Svend auf, zu sagen, was
er vorm geistigen Auge sieht. "Einen Hammer", tönt es blechern und der
Beweis der Wahrsagerei ist erbracht.
Spontaneinlagen begeistern
Spontaneinlagen lockern das Leben im eher als düster bekannten
Mittealter auf, auch heuer in Oftersheim, wo sich am Wochenende 15
Sippen niedergelassen haben. Wanderndes Volk sorgt für Kurzweil, Handel,
Wein und Gesang, vom Weib ganz zu schweigen, denn geschmeidige Körper
bewegen sich zu später Stunde schlangenhaft zu betörenden Melodien.
Ritter rüsten sich zum Kampf mit schweren Schwertern, die auf massive
Schilde aus Holz donnern.
Der Nachwuchs springt ins Märchenzelt und lauscht gebannt den schaurigen
Mähren von Vivian Grögeder. Von deren Phantasie beflügelt geht es hinaus
aufs Wikingerschiff, dem besten Spielplatz für kleine Krieger. Vor Anker
liegt das Prachtexemplar direkt zwischen dem Lager der Oftersheimer
Krieger der Steppe und Feuerplanet, den Jongleuren, die mit dem Feuer
spielen. Noch machen sie Trockenübungen mit kunterbunten Pois. Diese
Bälle am Ende langer Stoffbahnen werden später brennende Lichtbilder in
die schwarze Nacht zeichnen.
Ehe nach heidnischem Brauch
Davor jedoch findet ein besonderes Ritual statt: Bei der Sippe der Oger
im Lager der Steppenkrieger wird zum zweiten Mal der Bund der Ehe
besiegelt - nach heidnischem Brauch. Priester "Baldur" reinigt mit einer
speziellen Weihrauchmischung den inneren Kreis, den Ort des Ritus.
Familie und Freunde dürfen eintreten, das Brautpaar Sabine "Biba" und
Karl-Heinz "Yul" kommen dazu. Viele Fragen nach ihrem bisherigen
gemeinsamen Weg müssen sie wahrheitsgemäß beantworten, damit das rote
Band, das Freunde angefertigt haben und ihre Hände im "Handfasting"
umschlingt, für immer halten möge. "Es ist Symbol für eure Verbindung",
tönt Baldur und zeigt das Messer, das nun eigentlich die Haut beider
Hände anritzen und dafür sorgen soll, dass Blut den Bund besiegelt.
Selbstredend deutet der Priester das nur an.
Als Krönung folgt ein immenses Feuerspektakel im Einbruch der
Dunkelheit. Knisternd stieben die Funken von den Geräten der neun
Akteure. In einer faszinierenden Choreografie setzen sie Akzente, speien
Feuer im Takt zur Musik, lassen die Feuerpois atemberaubend schnell und
dicht nebeneinander kreisen. Ein Bild lodernder Flammen im Einheitstakt
wird gemalt, die Hitze wabert über die Köpfe der vielen Zuschauer, die
heftig applaudieren.
In der ersten Reihe haben sich Melanie und Petra niedergelassen:
"Eigentlich haben wir uns nur so verabredet, wollten ein wenig spazieren
gehen", dann seien sie auf dem Markt gelandet, den sie mit der Feuershow
"einfach prima" finden. Peter Schramm, zweiter Vorsitzender des "Signum
libere Suezzingen", zeigt sich zufrieden mit den beiden Gelage-Tagen,
wobei er anmerkt, dass weder der Regen bei der Premiere in Oftersheim im
vergangenen Jahr noch die diesjährige Hitze dem Besucherstrom zuträglich
waren: "Die vielen Spontanaktionen, das breite Angebot an Holzwaffen,
Essen und Trinken, Schmuck und Ausstaffierung für Mittelalterfans
passten hervorragend in den gewünschten familiären Rahmen."
© Schwetzinger Zeitung, Dienstag, 14.07.2015